Multiple Sklerose – Mein Leben mit der Krankheit der 1000 Gesichter

Dass Multiple Sklerose die Krankheit der 1000 Gesichter ist, haben Sie vielleicht schon einmal gehört oder gelesen - zum Beispiel in diesem Podcast der KKH. Fakt ist: Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, die bei jedem Menschen ganz unterschiedlich verläuft. Etwa 250.000 Menschen in Deutschland sind an MS erkrankt. Ich bin einer davon.

Doch was ist MS überhaupt? MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems. Die Ursache ist immer noch ungeklärt. MS ist nicht heilbar, mit modernen Therapien aber lässt der Krankheitsverlauf sich in den meisten Fällen abbremsen. Viele Menschen mit MS sind in der Lage, ein ausgefülltes Leben zu führen - mit und trotz Erkrankung.

Meine Diagnose erhielt ich im Herbst 2013. Ich stand kurz vor dem Abschluss meiner Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau und am Anfang meines Arbeitslebens. Arbeit ist ein gutes Stichwort: Ich arbeitete. Immer. Und viel. Ständig hatte ich das Gefühl, mehr Leistung erbringen zu müssen. Besser sein zu müssen. Schneller sein zu müssen. Und dann kam die Diagnose MS - und mit ihr ein großer Schock. MS, das hatte ich doch schon mal gehört. Ist das nicht die Erkrankung, bei der man sofort zum Pflegefall wird und im Rollstuhl sitzt?

 

Ängste vor der Zukunft mischten sich mit einer großen Unsicherheit. Wie würde es nun weitergehen?

Einige Jahre lang lebte ich im geheimen mit der Diagnose, erzählte nur meinen engsten Vertrauten davon. Ich hatte Angst, dass man mich verurteilen würde, oder gar bemitleiden würde. Ich wollte nicht anders behandelt werden, ich wollte einfach nur ich sein. Und so schwieg ich. Versuchte, meine Arzttermine so zu legen, dass auf der Arbeit keiner einen Verdacht schöpfte. Versuchte die Einstichstellen an meinen Armen zu verbergen, wenn ich mal wieder eine Infusion mit Kortison bekommen hatte, um einen Schub abzubremsen. Die Medikamente verstaute ich bei Geschäftsreisen ganz unten im Handgepäck - damit nur ja niemand etwas merken würde. Es wurde ein Versteckspiel, und ein recht anstrengendes obendrein.

Erst nach drei Jahren beschloss ich, offen mit meiner Erkrankung umzugehen. Bis dahin hatte ich schon einige Krankheitsschübe, also akute Entzündungsphasen erlebt. Ich hatte immer wieder mit Taubheitsgefühlen, Fatigue (chronischer Erschöpfung), Missempfindungen, Schmerzen und Schwindel zu kämpfen. Doch nach drei Jahren hatte ich etwas Wichtiges erkannt: Diese Symptome schränken mich zwar in meinem Alltag ein - aber ich kann damit einen Umgang finden. Meine MS schien eine milde Verlaufsform zu haben. An dieser Stelle sei gesagt, dass das natürlich nicht auf jeden Menschen mit MS zutrifft. Den Fall, dass ein Mensch innerhalb weniger Monate nach der Diagnose im Rollstuhl sitzt, gibt es durchaus. Und auch das sind Menschen und Schicksale, die ich in diesem Artikel nicht unerwähnt lassen möchte. Es gibt Menschen die durch die MS den Arbeitsplatz, Freunde und Familie verlieren. Menschen die durch die MS in Armut landen und Menschen, die in eine tiefe Depression fallen.

Auch ich hatte immer wieder mit dunklen Gedanken zu kämpfen, und ganz frei werde ich davon vielleicht nie sein. Doch ich wusste damals schon: Die Krankheit geheim zu halten würde es nicht besser machen. Und so beschloss ich, drüber zu sprechen - und zwar direkt so, dass die ganze Welt davon erfahren würde. Im Februar 2017 stellte ich meinen Blog „chronisch fabelhaft“ online, auf dem ich aus meinem Leben mit der Krankheit berichte und Hilfestellungen gebe. Anfangs war es mir vor allem ein Bedürfnis mich auszutauschen und das Gefühl zu haben, nicht allein zu sein - mittlerweile ist der Blog einer der erfolgreichsten deutschsprachigen MS Blogs. Ich hatte zuvor hart erarbeitetes Geld angespart um endlich einen großen Traum zu erleben: Eine Weltreise - mit MS, und ja, vielleicht sogar wegen der MS. Denn die MS machte mir ganz deutlich: Wir haben nur ein Leben. Wir treffen jeden Tag Entscheidungen… und für mich war es an der Zeit, mich und mein Wohlbefinden nun an die erste Stelle zu rücken.

Seit dem Jahr 2017, in dem ich meinen Blog launchte, meine Festanstellung kündigte und anfing, um die Welt zu ziehen, ist viel passiert: Ich bin selbstständige Autorin und Bloggerin, habe drei Bücher zum Thema Multiple Sklerose veröffentlicht. Mittlerweile gehören ein Podcast, ein Instagram Kanal und ein YouTube Kanal zu chronisch fabelhaft. Ich habe mich außerdem zur Yogalehrerin ausbilden lassen und einen Onlinekurs für Menschen mit MS erstellt, der diesen Meditation und Yoga als Praktiken zur Stressreduktion näherbringt. Im Herbst 2019 gründete ich mit „Healthy Content. Sick Ideas.“ Eine Agentur für Patienten-Influencermarketing, für die ich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ausgezeichnet wurde. Nach wie vor lebe ich ortsunabhängig, um meinen Instagramkanal mit Fotos von wunderschönen Orten füllen zu können, und bereise die Welt (natürlich momentan weniger). Ich arbeite dort, wo es die perfekten Bedingungen für mich gibt… und das ist nicht immer Deutschland. Meine beiden Unternehmen laufen komplett online basiert.

Aber nicht nur meine Art zu arbeiten, auch meine Einstellung und meine Gesundheit haben sich in den letzten Jahren verändert. Ich selbst achte mehr auf mich, habe ein viel feineres Gespür für meinen eigenen Körper entwickelt. Ich weiß, wie wichtig meine psychische Gesundheit ist und arbeite regelmäßig an meiner persönlichen Weiterentwicklung. Ich habe meine Gesundheit zur absoluten Priorität gemacht - und das zahlt sich aus. Mittlerweile bin ich seit 4 Jahren schubfrei. Ich bin nicht gesund, das werde ich nie sein - aber ich lege meinen Fokus nun anders und schätze die Tage, an denen es mir gut geht, viel mehr als zuvor. Und ich weiß, dass ich auch mal eine Pause machen darf (und muss). Dass nicht immer alles perfekt sein muss. Und dass das Leben verdammt fabelhaft sein kann - auch mit Multipler Sklerose.

 

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