Mehr Geld und Unterstützung für pflegende Angehörige? Das bringt die Pflegereform

Mehr Geld und Unterstützung für pflegende Angehörige? Das bringt die Pflegereform

Nach langem Ringen wurde nun eine Pflegereform beschlossen. Das Gesetz soll Verbesserungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige bewirken. Aber was bringt das neue Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wirklich? Der Pflege-Experte Markus Oppel gibt einen Einblick

Ein höheres Pflegegeld, mehr Unterstützungsangebote, weniger Bürokratie… – die Liste der Forderungen von pflegenden Angehörigen ist lang. Studien zeigen seit Jahren die hohe Belastung von Pflegenden. Bringt die Pflegereform nun Unterstützung und Entlastung? Was steckt in dem neuen Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz?

„Die Reform geht in die richtige Richtung, aber es ist nur ein Trippelschritt hin zu mehr Unterstützung“, sagt Pflegeberater Markus Oppel aus Buchbrunn. Er berät seit vielen Jahren Pflegebedürftige und deren Familien und ist selbst pflegender Angehöriger.

Eine Übersicht über die wichtigsten Veränderungen für pflegende Angehörige:

Mehr Geld: Pflegegeld

Die Regierung kündigte an, das Pflegegeld zu erhöhen. „Das war dringend notwendig. Zuletzt wurde es 2017 erhöht und seitdem sind die Lebenshaltungskosten enorm gestiegen“, erklärt Markus Oppel. Zum 1. Januar 2024 wird fünf Prozent mehr Pflegegeld gezahlt. Je nach Pflegegrad erhalten Pflegebedürftige dann zwischen 331,80 Euro (bei Pflegegrad 2) und 946,05 Euro (bei Pflegegrad 5).

„Das Pflegegeld ist keine Leistung für die Angehörigen“, erinnert Oppel. Die Pflegeversicherung zahlt die Leistung an Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2, die zu Hause leben und keine ambulanten Dienste nutzen. Sie können frei entscheiden, wofür sie das Geld verwenden, etwa für die Betreuung durch Verwandte oder Ehrenamtliche.

Mehr Geld: Pflegesachleistungen

Ab dem 1. Januar 2024 steigt auch der Betrag der Pflegesachleistungen um fünf Prozent. Dieses Geld erhalten Pflegebedürftige, die zu Hause leben und einen Pflegedienst nutzen. Das Geld wird nicht ausbezahlt, sondern direkt verrechnet. Pflegebedürftigen stehen dann zwischen 760,20 Euro (bei Pflegegrad 2) und 2199,75 Euro (bei Pflegegrad 5) zu. „Das ist eine Verbesserung, allerdings steigen die Kosten der Pflegedienste seit Jahren und diese werden auf die Kunden umgelegt. Die erhöhten Pflegesachleistungen werden vermutlich von den Mehrkosten aufgefressen und am Ende zahlen die Pflegebedürftigen mehr“, meint Markus Oppel.

Wichtig: Vorgesehen ist, dass die beiden Leistungen – Pflegegeld und Sachleistung – regelmäßig erhöht werden: zum 1. Januar 2025 um 4,5 Prozent und zum 1. Januar 2028 entsprechend der Inflationsrate der drei Vorjahre. Fortan soll dies alle drei Jahre erhöht werden.

Flexiblere Nutzung von Entlastungsleistungen: der gemeinsame Jahresbetrag

Seit Jahren fordern Experten und Angehörige, dass Entlastungsangebote flexibler nutzbar sein sollen. Mit der Pflegereform wurde nun der Gemeinsame Jahresbetrag beschlossen. „Endlich kommt dies und ist wirklich hilfreich“, meint Markus Oppel. Bisher gibt es zwei Budgets: die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege, die teilweise aufeinander übertragen werden können.

Künftig sind beide Leistungen gebündelt und stehen als Gemeinsamer Jahresbetrag zur Verfügung. Zwei Vorteile:

  • Pflegende Angehörige haben mehr Geld zur Verfügung, um stundenweise Entlastung zu nutzen.
  • Es entfällt die sechsmonatige Vorpflegezeit. Das heißt: Direkt ab Feststellung von Pflegegrad 2 kann die Verhinderungspflege genutzt werden.

Insgesamt können Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 ein Betrag von 3539 Euro nutzen, wenn Angehörige die Pflege nicht übernehmen können (beispielsweise durch Krankheit, Arztbesuch, Berufstätigkeit, Urlaub). Das kann stundenweise, tageweise oder auch wochenweise sein. „Dies bringt auch bürokratische Entlastung“, hofft famPLUS-Experte Oppel.

Der gemeinsame Jahresbetrag gilt ab 1. Juli 2025. Ausnahme: Eltern mit pflegebedürftigen Kindern unter 25 Jahren, die Pflegegrad 4 oder 5 haben, können bereits ab dem 1. Januar 2024 einen gemeinsamen Jahresbetrag von 3 386 Euro nutzen (ab dem 1.Juli 2025 dann auch das Budget von 3539 Euro). „Für diese circa 50.000 Anspruchsberechtigten in Deutschland ist das sehr hilfreich. Es gibt so gut wie keine Kurzzeitpflegeplätze für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche. Durch den Jahresbetrag steht ihnen mehr mehr Geld für stundenweise Betreuung zu, was oftmals die einzige Möglichkeit für diese Altersgruppe ist“, erklärt Markus Oppel. Die stundenweise Betreuung durch Pflegedienste oder Ehrenamtliche sei eine wichtige Unterstützung für Mütter und Väter und ermögliche eine bessere Vereinbarkeit Berufstätigkeit und Pflege.

Unterstützung in Akutsituationen: Das Pflegeunterstützungsgeld

Wenn ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig wird oder sich die Pflegesituation ändert, ist oftmals schnelles Organisieren und Handeln notwendig. Für berufstätige pflegende Angehörige ist dies oftmals eine Herausforderung. Bislang konnten sie sich einmalig pro Pflegebedürftigem für maximal zehn Tage von der Arbeit kurzfristig freistellen lassen. Ab dem 1. Januar 2024 können Arbeitnehmer diese Leistung jedes Jahr nutzen: bei akuter Notlage in der häuslichen Pflege können sie sich für bis zu zehn Tage für die Pflege freistellen lassen. Der Arbeitgeber darf dies nicht ablehnen, kann allerdings einen Nachweis (etwa ein Attest) verlangen.

„Erfahrungsgemäß wird diese Leistung kaum genutzt“, sagt Markus Oppel. „Das Problem ist zum einen die damit verbundene Bürokratie. Man kann die Auszeit zwar kurzfristig beim Arbeitgeber beantragen, um aber das Pflegeunterstützungsgeld von der Pflegekasse zu bekommen, braucht es ein Ärztliches Attest über die Pflegebedürftigkeit“, so der Experte. Dazu komme, dass das Unterstützungsgeld oft geringer sei als der Lohn. „Die Höhe des Pflegeunterstützungsgelds wird individuell berechnet und richtet sich nach dem Verdienst. Im Schnitt erhalten Arbeitnehmer zwischen 40 und 70 Prozent des Bruttolohnes“, sagt Markus Oppel.

„Für viele pflegende Angehörige rechnet sich das nicht“, so der famPLUS-Experte. Er rät dazu, sich mit dem Arbeitgeber zu besprechen. „Mittlerweile sind viele Arbeitgeber offen und unterstützen pflegende Angehörige mit unbürokratischen Lösungen, sodass man keine Gehaltseinbußen hat, etwa mit Sonderurlaub oder Anrechnen von Überstunden.“ Markus Oppel empfiehlt, sich dazu in der Pflegeberatung gut zu informieren und die Leistung schon einmal berechnen zu lassen.

Mehr Entlastung: Höhere Zuschläge für Pflegeheimbewohner

Wenn der Angehörige in ein Pflegeheim zieht, so ist dies oft mit hohen Kosten verbunden. Die Pflegeversicherung übernimmt nur einen Teil der Pflegekosten. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung sowie Investitionskosten müssen selbst gezahlt werden. Bislang gilt: Je länger ein Mensch in einem Heim wohnt, umso höher ist der Zuschlag für diesen Eigenanteil.

Zum 1. Januar 2024 werden die Entlastungszuschläge erhöht. Dann gelten folgende Zuschläge:

  • Im ersten Jahr: 15 Prozent (statt bisher 5 Prozent)
  • Im zweiten Jahr: 30 Prozent (statt bisher 25 Prozent)
  • Im dritten Jahr: 50 Prozent (statt bisher 45 Prozent)
  • ab dem vierten Jahr: 75 Prozent (statt bisher 70 Prozent)

Besser informiert: Informations- und Transparenzregelungen

Für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ist es oft schwer, den Überblick über die genutzten Pflegeleistungen zu behalten. Die Pflegereform sieht vor, dass Pflegebedürftige und ihre Pflegepersonen transparent darüber informiert werden, in welcher Höhe Leistungen abgerechnet wurden und wie viel ihnen noch zur Verfügung steht. Ab dem 1. Januar 2024 sollen sie jedes Halbjahr eine Übersicht erhalten können. „Das wird viele Sorgen abbauen und kann helfen, Unterstützungsangebote anzunehmen“, sagt Oppel.


Die Pflegereform: Neue Beiträge

Diese Reform ist mit einer Erhöhung der Beiträge verbunden. Ab dem 1. Juli 2023 wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Die neuen Beiträge werden jedoch nach der Zahl der Kinder differenziert (berücksichtigt werden nur Kinder, die jünger als 25 Jahre sind). Künftig gilt:

Pflegereform – und nun?

Die Pflegereform wurde von vielen Seiten kritisiert. "Die Reform ist noch weit entfernt von einer echten Verbesserung“, meint Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Auch Pflege-Experte Markus Oppel sagt: „Wir brauchen einen größeren Wurf und eine Veränderung der Strukturen, damit Pflegebedürftige und pflegende Angehörige die Unterstützung bekommen, die sie auch benötigen.“

Dazu gehöre eine umfassende und aufsuchende Pflegeberatung, eine finanzielle Entlohnung der pflegenden Angehörigen oder ein Online-Portal über deutschlandweit freie Plätze in Pflegeheimen oder Tagesstätten. Zudem brauche es mehr Angebote von Plätzen in Pflegeheimen, Tagespflegen, Kurzzeitpflege und Nachtpflege.

Autorin:

Peggy Elfmann

Quellen:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/pflegereform-beschluss-bundestag-26-05-23.html

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw21-de-pflegeentlastung-freitag-947958

https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006544.pdf

https://www.pflege.de/pflegegesetz-pflegerecht/pflegeunterstuetzungsgesetz-pflegeentlastungsgesetz/

https://www.vdk.de/deutschland/pages/presse/presse/86865/bentele_trotz_entlastungsbudget_ist_die_pflegereform_eine_niete_fuer_die_naechstenpflege

Gespräch mit Markus Oppel, 23.06.2023

 

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